Fernsehtipp von Gero Greb
Der Text stammt aus folgender Quelle:
https://programm.ard.de/TV/Programm/Sender/?sendung=287251942177595
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Information
Kurzbeschreibung
Widersprüche einer Kanzlerin
Beschreibung
Am 17. Juli 2019 feiert Angela Merkel ihren 65. Geburtstag. Was von ihrer Kanzlerschaft bleibt, die spätestens mit Ablauf der aktuellen Legislaturperiode endet, ergründet einen Tag vor ihrem Geburtstag die "ZDFzeit"-Doku "Mensch Merkel! - Widersprüche einer Kanzlerin". Die Dokumentation geht den Fragen nach, was die Ära Merkel auszeichnet und wie sie das Land geprägt hat. Als "Mädchen" belächelt, zur "Mutter der Nation" stilisiert und als "Volksverräterin" verunglimpft: Am 17. Juli 2019 wird Angela Merkel 65 Jahre alt.
Was bleibt von der Kanzlerschaft, wenn die Merkel-Ära endet?
Angela Merkel propagierte eine "Politik der kleinen Schritte" und überraschte die Deutschen doch mit weitreichenden Entscheidungen, die das Land dramatisch verändert haben. "ZDFzeit" zeichnet Merkels unwahrscheinliche Karriere nach - und ihren langen Abschied von der Macht.
Es ist eine beispiellose Karriere: Eine Physikerin aus dem Osten wird Kanzlerin des vereinten Deutschland und hält sich viele Jahre an der Macht. Weggefährten und Kritiker nehmen Stellung: zu Krisen, Erfolgen und Niederlagen einer ungewöhnlichen Kanzlerschaft. In der internationalen Politik hat Angela Merkel sich großes Ansehen erarbeitet. In einer Welt unberechenbarer, autoritärer Männer gilt sie vielen als "Fels in der Brandung". Tony Blair beschreibt es im Gespräch mit "ZDFzeit" so: "Eine ihrer großen Fähigkeiten ist, in schwierigen Fragen sich immer mehrere Optionen offenzuhalten. Schließlich entscheidet sie sich und steht auch dazu. Ich denke, das ist der Grund, warum sie sich so lange im Amt halten konnte, und warum sie so viel Einfluss hat." Charisma ist nicht ihre Stärke, eher Bodenständigkeit.
"Sie kennen mich!" Mit diesem Satz hat Angela Merkel Wahlen gewonnen - dabei kennt kaum jemand die Kanzlerin wirklich. Das sagen selbst Menschen, die lange und intensiv mit ihr zusammengearbeitet haben. So meint die am 2. Juni 2019 zurückgetretene SPD-Vorsitzende Andrea Nahles im Interview mit "ZDFzeit": "Was hat sie vor mit Deutschland? Das ist nach 14 Jahren vielleicht ein sehr merkwürdiger Befund, aber ich muss ehrlich sagen, dass ich dieses Gefühl nie losgeworden bin, dass ich nicht weiß, was für eine Idee sie von Deutschland hat." Und Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, stellt fest: "Sie ist jemand, die wirklich weiß, was sie tut - aber selten weiß, was sie will." Sogar CDU-Mann Wolfgang Bosbach zeigt sich gegenüber "ZDFzeit" ratlos: "Ich weiß wirklich nicht: Wer hat Zugang? Wer hat Einfluss? Auf wen hört sie wirklich? Auf wessen Rat? Wer kann Meinungsbildung und Entscheidungsfindung beeinflussen? Ich weiß es nicht."
Dabei traf die "Krisen-Kanzlerin" weitreichende Entscheidungen in ihrer Amtszeit: die milliardenschwere Euro-Rettung, der Ausstieg aus der Atomkraft und die Aufnahme von Hunderttausenden Flüchtlingen. CDU-Mitglied und Historiker Andreas Rödder zieht bei "ZDFzeit" eine vernichtende Bilanz der Merkel-Jahre: "Sie hat vor allen Dingen vielfältige Spaltungen hinterlassen. Eine gespaltene CDU, tiefe Spaltungen in der Gesellschaft - und durch die Flüchtlings-Politik sogar Spaltungen in Europa."
Dazu folgende juristische Analyse von Regula Heinzelmann
Kritiker meinen, Merkel habe die CDU nach links zur Mitte geführt und so Raum am rechten Rand geschaffen - den dann sehr erfolgreich die AfD besetzte. Wolfgang Bosbach sieht es so: "Wenn man vor allen Dingen ganz wichtige politische Fragen, die zudem noch hoch kontrovers sind, als alternativlos erklärt, darf man sich nicht wundern, wenn sich dann eine Partei gründet, die genau diesen Begriff in ihren Partei-Namen aufnimmt." Schon immer muss sich Merkel in ihrer eigenen Fraktion gegen viele Konkurrenten behaupten, die sich für die besseren Kanzler halten.
Ihr langjähriger Weggefährte Thomas de Maizière beschreibt ihr Erfolgsrezept so: "Angela Merkel hat immer davon gelebt, dass sie unterschätzt wurde, dass sie ein gutes Gefühl für den richtigen Zeitpunkt hatte und für etwas, was in der Politik überragend wichtig ist: Konstellationen." Etwas salopp bringt es Gregor Gysi im Interview auf den Punkt: "In Vier-Augen-Gesprächen haben mir das ja auch Leute eingeräumt, dass sie gedacht haben, sie wählen die "Mutti" für ein Jahr oder für zwei Jahre, und dann schicken sie sie wieder nach Hause. Sie hat die aber nach Hause geschickt. Das musst Du erst mal können."
Am 17. Juli 2019 feierte Angela Merkel ihren 65. Geburtstag. Zeit für die Rente, oder hält sie noch bis zum Ende der Legislaturperiode durch? Dann hätte sie Deutschland fast 16 Jahre lang regiert und wäre damit ebenso lange im Amt wie ihr einstiger Mentor Helmut Kohl. Die Dokumentation zieht eine Bilanz ihrer Kanzlerschaft: Was zeichnete die Ära Merkel aus, wie hat sie das Land geprägt?
Titelbild
Brennpunkt Berlin, gemalt und fotografiert von Regula Heinzelmann